Begriffsdefinitionen

Immer wieder spannend, wie manche Begriffe definiert sind und sich verändern. Vor dem ersten Weltkrieg bereits wurden Worte wie Anarchie und Anarchist zu Synonymen von Terror und Terrorist. Die Propaganda der Tat hat dazu sicher beigetragen. Der Begriff ist jedoch erheblich älter, ich erinnere mich an lebhafte Diskussionen im Griechisch-Unterricht bei der Lektüre von Xenophon, heute lerne ich aus der Wikipedia dass das Wort aber schon bei Homer auftaucht. Und zwar in der Tat in der Nähe der Bedeutung, die mir im Kopf rumschwebt.

Was im 19. Jahrhundert der Anarchist war, das ist im frühen 21. Jahrhundert offenbar der „Linksautonome“. Eine Art Terrorist, gewalttätig, zerstörerisch, permanent auf Krawall gebürstet, fies, finster und gemein.

Aus meiner Sicht finden sich in der Tat in den Gewalt-Subkulturen unserer Gesellschaft Menschen, die diesem Typus entsprechen. Gewalttätige Ecken hat unsere Gesellschaft ja mehrere, teils mit völlig gegensätzlichen Ideologien, die zur Rechtfertigung von Gewalt herangezogen werden. Am ehrlichsten kommen mir da gelegentlich die vor, die Gewalt einfach nur so ausüben und ausleben, die sich das wüste Rumprügeln nicht mit irgendwelchen Ideologien oder Religionen unterlegen um sich zu rechtfertigen; diese Sorte findet sich am ehesten in der Ecke „Fussballfans“ - wobei nicht jeder, der Fussball und Stadion-Feeling mag so einer ist (in der Tat sind es die allerwenigsten). In diesen Kreisen werden gelegentlich Treffen organisiert, bei denen alle Teilnehmer zusammenkommen, um sich gegenseitig zu verprügeln.

Das ist zwar widerlich weil menschenverachtend und gewalttätig und in der Tat widert es mich massiv an. Aber vor der Ehrlichkeit und Direktheit dieser Methode muss man Respekt haben: wenigstens verbrämen diese Leute ihre abstoßende Gewalttätigkeit nicht als Einsatz für eine „gute Sache“ und belügen damit sich selbst und ihre Umwelt. Gewalttätig und verlogen ist irgendwie doppelt widerlich. Und mir ist es völlig egal, ob das „rechte“ oder „linke“ sind. Zugegeben: diejenigen, die sich auf Gewalt gegen Sachen beschränken, vermeiden zumindest unmittelbares menschliches Leid. Aber auch diese etwas-weniger-widerwärtigen Gewalttäter lassen im Anblick einer Polizeikette auch schon mal die Maske fallen.

Am schlimmsten ist aber die Dummheit, die in all diesen Gewaltaktionen steckt. Wie soll denn z.B. ein Brandanschlag auf eine Kabeltrasse, der Tausende auf dem Weg zur Arbeit behindert - noch dazu solche, die sich umweltgerecht verhalten indem sie mit der Bahn fahren statt mit Individualverkehr - einer wahren An-Archeia nützen?

Von wo her originiert eigentlich der schöne Spruch „fighting for peace is like fucking for virginity“? Kommt irgendwie nicht aus der Mode - warum auch. Es stimmt ja.

Man kann mit Gewaltaktionen - egal ob gegen Menschen oder gegen Sachen - sich von der wahren Nicht-Herrschaft nur entfernen. Nicht-Herrschaft ist eine ziemlich gute deutsche Übersetzung von αναρχια und die Ausübung von Gewalt ist eben Herrschaft in diesem Sinne.

Insofern ist es an sich zu begrüssen, dass in der Presse statt von Anarchisten im Zusammenhang mit politisch motivierter Gewalt eher von Chaoten geredet wird oder eben von „Linksautonomen“ wenn eine bestimmte Sub-Gruppe von Gewalttätern gemeint ist.

Der gesellschaftliche Zustand der Anomie, der charakterisiert ist von der Auflösung der Normen, also sowohl der gesellschaftlichen Normen als auch der kodifizierten Gesetze, wird ja nicht von Anarchisten angestrebt oder hergestellt sondern von...

Und das ist der Punkt, der heute so viele Leute zu recht von der Politik entfremdet hat. Im Prinzip steuern wir mit Volldampf auf einen gesetzlosen Zustand zu - gerade dadurch, wie die aktuelle Politik Gesetze macht. Beispiele sind Legion. Der Begriff der Kinderpornographie wird inzwischen strafrechtlich so inflationär definiert, dass man aus fast jeder Abbildung eines Kindes oder Jugendlichen einen Straftatbestand konstruieren kann. Aber insbesondere das Hin-und-Her zum ausstieg aus der Kerntechnik, das wir in diesem Jahr erleben durften, spricht Bände. Da ist zunächst die Kernkraft eine alternativlos-unverzichtbare Brückentechnologie und der bööööse Ausstiegsbeschluss der rot-grünen Bundesregierung muss gekippt werden. Und nur wenige Monate später ist ein Ausstieg plötzlich kein Problem mehr - ja sogar notwendig.

Diese Beliebigkeit in der Gesetzgebung und sonstigen politischen Gestaltung ist es, die Unruhe in der Gesellschaft hervorruft - und Wutbürger hervorbringt. Es ist eben nicht ein „gescheitertes Multikulti“ sondern das Fehlen von Vorbild das Menschen verunsichert. Die CDU war nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers im Schockzustand. Geschockt wohl vor allem davon, wie negativ das Volk eine Handlungsweise bewertet hat, die in der CDU offenbar viele, zumindest aber die Führungsdame, für völlig in Ordnung, legitim, vertretbar gehalten haben. Betrug zum Erschleichen eines Titels, Meineid, das ist für einen Minister offenbar in Ordnung?

Nur eine politische Führung, die ein Vorbild liefert, kann in einer Demokratie den herrschenden Normen Autorität verleihen. Eine Politik, die Gesetze rückwirkend ändert, die konzept- und planlos hinunhereiert und die nur ein Ziel zu kennen scheint - Erhalt der eigenen Macht - wird genau den Weg gehen, den die letzte „politische“ Kaste, die nur auf das eigene Wohlergehen fixiert war, gegangen ist. Honnecker und Konsorten sind weg vom Fenster. Und Bundeskanzlerin Merkel will da offenbar auch hin. Ich bin gern geneigt, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.


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Politik