Relikte aus alter Zeit

Manchmal nennen Leute olle Kamellen einfach "Tradition" und verlangen dann, dass man diese "zu respektieren" habe.
Also: hinterfragen verboten, weil: Tradition

Nun sind Traditionen wichtig, sie bilden den Zusammenhalt von Gesellschaften. Traditionen zu hinterfragen ist das Privileg der (pubertierenden) Jugend, später im Leben sollte man damit in der Tat sparsamer werden, weil man sonst als Querulant schnell stört.

Aber eine Tradition aus uralter Zeit nervt heutzutage eigentlich nur noch.
Ich kann ja vertehen, dass mechanische Typenhebelschreibmaschinen eine Capslock (Feststell)-Funktion hatten: die Umstellung zwischen Gross- und Kleinschreibung erfolgte durch mechanisches Anheben des Wagens, also der kompletten Meschanik mit der Walze und dem Farbband und so fort.
Und die Funktion dafür (heute Shift- oder Umschalttaste genannt) liegt bei den üblichen Belegungen auf dem schwächsten Finger, den wir haben. Was für eine suuuper Idee, richtig? Kommt mir vor, als sei die Schreibmaschine im angesächsichen Sprachraum erdacht worden, die schreiben ja weniger grosse Buchstaben als wir im Deutschen.
Moment ...
Geschichte der Schreibmaschine Huchnein, die Vorläufer stammen aus Italien, Deutschland oder Frankreich.
Alles nicht-angesächsisch.

Aber die Tastenanordnung stammt in der Tat aus den USA, wo die ersten in Serie gerfertigten und auch die ersten mit Wagnergetriebe, was man heute unter "Schreibmaschine" versteht, die Underwood dann aber offenbar auch mit der Remington-Tastenbelegung. Tastaturen mit separaten Tasten für Groß- und Kleinbuchstaben kamen offenbar schon früh aus der Mode.

Jedenfalls scheint Remington auf die Idee mit der Umschalltaste gekommen zu ein und bei den Underwood-Maschinen mit Wagner-Mechanik hiess das eben, dass der Wagen angehoben werden musste.
Und dann ist eine Feststelltaste echt sinnvoll.

Aber heute an meinem Linux-PC muss ich nichts mehr anheben. Daher auch nichts feststellen.

Warum zum Geier hat heute immer noch jede Tastatur eine Capslock-Taste?
Selbst die Amerikansichen PC-Tastaturen, die eine Taste weniger als die europäischen haben, verzichten lieber auf die Taste für <, > und | als auf Capslock.
Tradition?
Das führt übrigens zu "lustigen" Effekten, wenn man (wie ich) eine ältere PC-Tatatur mit PC-AT-Protokoll (DIN-Stecker) per Adapter (DIN zu PS2/MiniDIN und PS2 zu USB) verwenden will: viele der billig angebotenen PS2-zu-USB-Adapter übertragen nur die 104 Keycodes der US-Tastatur, die <>|-Taste ist dann einfach tot. Stunden habe ich nach dem Fehler in meiner Tastatur gesucht...

Aber was ich eigentlich schreiben wollte.
Wenn man unter Windows die störende Capslock-Funktion einfach abschalten wollte, dann gab es da so einen Registry-Eintrag und mit CapslockGoodbye ein Programm, das es einfach machte, den zu setzen.

Sucht man nach einer ähnlichen Funktion für Linux, dann stösst man immer wieder auf Anleitungen, mittels xmodmap oder xinitrc oder so die Tastaturbelegung zu definieren.

Das funktioniert auch alles, ist mir aber inzwischen zu doof!
Dieses archaische Gefummel mit Text-Konfigurationsdateien kenne ich gut und benutze das auch. Und manchmal ist das ja auch sinnvoll.

Aber selbst "ich weiss besser was du willst als du!"-MacOS, das quasi keine Optionen anbietet, hat eine Einstellugn dafür: Capslock einfach abschalten. Oder auf eine andere Funktion stellen - geht.

Und siehe da, zumindest unter XFCE4 (meinem derzeit bevorzugten Desktop für Linux, weil der auch auf den eher leistungsschwachen Maschinen in meinem Gerätepark noch gut funktioniert) kann man Capslock einfach abschalten.

Also: effektiv abschalten, auch wenn das Setting nicht so heisst.
Ich habe Capslock als Taste für die Umschaltung auf die erste Tastaturbelegung eingestellt.
Und nur eine Belegung definiert.
Damit wird der Druck auf Capslock immer ein "stell um auf die grad eh schon aktive Belegung".

Nur die Frage bleibt, warum kein mir bekannter Linux-Desktop eine Funktion zum "einfach abschalten" von Capslock mitbringt.
Bin ich echt der einzige, der die immer mal versehendlich drückt und sich dann wundert, warum eingegebene Passörter nicht akzeptiert werden?
Oder den das sonst so gelegentlich nervt?

Möglich.


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