Hätte schlimmer ...

... kommen können.

Oder nicht? Ganz doof gelaufen.

Ein Forianer bei Heise trifft es m.E. ziemlich genau auf den Punkt. Also, fast. Ich bin und bleibe bekennender „Volli“: ich will für die Piraten ein Vollprogramm und Kompetenz in allen Themengebieten. Aaaaber: das braucht Zeit.

Und diese Erkenntnis mögen grad die jungen Hüpfer bei den Piraten überhaupt gar nicht. Zwar nimmt man sich gern mal 2 volle Tage auf dem Parteitag, um über grad mal 2 Dutzend Themen zu diskutieren - komplett aus dem Mußtopf kommen gehört fast zum Guten Ton, möchte man meinen. Aber das stört mich nicht.

Nein, wirklich nicht: Demokratie ist nun mal der Diskurs und dazu gehört es auch, die abwegigen Haltungen zur Kenntnis zu nehmen und dann die Mehrheiten am guten Kompromiss oder gar nahe beim Konsens zu suchen und zu finden.

Was mich stört ist die Kinder-Haltung. Kinder sind ganz gross im Fordern - machen müssen dann andere.

Und das führt dann in das Muster, dass einige glauben, mit einem Programm-Beschluss ist alles erledigt. Forderung aufgestellt, alles klar. Machen müssen dann „die Regierung“ oder so - andere halt.

Klar, die Piraten werden auf absehbare Zeit eine Opposition sein. Wie alle neuen Parteien liegen ihre Wurzeln in einer ausserparlamentarischen Oppositionsrolle, dort, wo Piraten in den Parlamenten sind, sind sie in der Opposition.

Aber dennoch - so denke ich - sollte sie sich als Regierungspartei gerieren, verhalten, definieren. Mit Konzepten, die halt besser sind als die, die die Regierung hat.

Und genau das fehlt.

„Immer feste druff“ gegen was-grad-aktuell-ist stänkern, ist halt leichter. Wie überhaupt das Suchen und Pflegen von Feindbildern viel leichter ist als das Entwickeln von Konzepten, die den Ansprüchen der Verfassung gerecht werden.

Der Blick ins Ausland zeigt, wie Demokratie voll in die Hose gehen kann. Die Winner-takes-all-Mentalität, mit der der demokratisch (doch, ja, ich sehe das so) gewählte ägyptische Präsident Mursi gegen seine politischen Gegner vorgegangen ist, hat ihn das Amt gekostet. Hätten er und seine Leute nach der Wahl den Minderheitenschutz hochgehalten - ich denke, er wäre noch im Amt.

Darin liegt eine Lehre, grad wenn man bei den Piraten über 4 Jahre hinweg mitgemacht hat und immer und immer wieder verzweifelt den Kopf schüttelt.

Der o.a. Forenposter meint, die Piraten hätten sich verzettelt. Ein Stück weit stimmt das: zu viel auf einmal angefasst.

Er rügt auch die Tatsache, dass jeder Pirat das piratische Mandat besitzt, also machen darf. In der Tat ist es daher schwer, eine klare Linie zu entdecken, worum es eigentlich geht: Parteien, in denen eh nur 5 Leute denken und der Rest grad mal abnicken darf, haben es da sicher leichter, eine „klare Linie“ z.B. gegen den Euro und unsere Nachbarn zu vertreten.

Was an dem Post aber am heftigsten weh tut, ist sein Punkt 4. Leider, leider hat er so recht. Souveräner Umgang mit Kritik sieht in der Tat anders aus.

Statt dessen herrscht maximale Empörung. Immer. Grundsätzlich. Und grad in Kombination mit den geliebten Feindbildern und der binären Klassifikation von Menschen auf der Freund-Feind-Skala wird da ein Problem daraus. (Fällt eigentlich nur mir auf, dass nur die Träger des Feindbildes „die X sind voll doof“ tatsächlich ein Interesse haben daran, dass die X existieren? Ohne deren Existenz hätten solche Rotten ja keinen Zusammenhalt mehr. Menschen vom 2die X sind mir piepegal“-Typus dagegen haben mit der Nicht-Existenz der X dagegen ein Nicht-Problem. Das Dumme ist: die Anti-X brauchen die X, die sie oberflächlich betrachtet ja bekämpfen, nicht nur, sie wissen das instinktiv auch. Und richten ihr Handeln entsprechend ein, dass es die X auch weiterhin geben wird.)

Und so hat der Poster völlig recht, wenn er das komplette Fehlen einer Auseinandersetzung mit der AfD beklagt.

Die AfD hat den Piraten ja die schönste Hommage gemacht, die man machen kann: sie kopieren die Piraten auf verschiedenen Ebenen (nicht nur bei dem Leitfaden für Infostände). Und die Kopie ist ja das größtmögliche Lob.

Aber sonst vertreten sie offen das Gegenteil dessen, was Piraten definiert: -offene Anti-Demokratie: Einschränkungen beim Wahlrecht für bestimmte Personengruppen sind widerwärtig. -offene Xenophobie: naja, Phobie nicht, eher ein opportunistisch-egoistisches Leben auf kosten unserer Nachbarn. Meiner Nachbarn und Freunde. Widerlich -offener Anti-Feminismus Der letztere Punkt ist gefährlich zu schreiben, weil die Definition von „Feminismus“ in vielen Köpfen verschieden ist. Ich gehe von dieser Definition aus:

[http://areyouafeminist.com/]

Für die AfD sind eben nicht alle Menschen gleich; die sind eher auf dem Stand von vor 300 Jahren mit einer strengen Trennung in einen Adel und irgendwelches niederes Pack, das sich von Vieh grad mal marginal unterscheidet.

Alles schon ausgesprochen widerlich, und damit wäre schon genug Angriffsfläche da. Und als wäre das nicht genug fordert die AfD auch noch den Tod der deutschen Wirtschaft, geht programmatisch offen gegen die vor, die sie zu vertreten vorgibt.

Wovon ich rede? Nun, die AfD fordert eine nationale Währung für Deutschland. Und eine Hartwährung soll sie sein. Daher ist zu erwarten, dass - würde das tatsächlich umgesetzt - diese neue Währung recht schnell an Wert gegenüber anderen Währungen gewönne: schon jetzt erhält Deutschland Negativzinsen bei Staatsanleihen, die Fed spült den Dollar mit der Druckerpresse weich und der Yen? Könnte das jedenfalls nie allein auffangen.

Die Folge wäre, dass die deutschen Exporte teurer würden, Importe billiger. Die fallenden Spritpreise mag dann Otto AfD-Wähler kurz bejubeln, jedenfalls bis sein Betrieb leider ins Ausland verlagert werden muss, weil in Spanien die Löhne nun mal nur ein Drittel so hoch sind...

Die AfD erhält von mit 10 Punkte für Ehrlichkeit: die Probleme in Europa sind ohne Roßkur wohl nicht zu lösen. Aber einfach Deutschland ruinieren damit sich die Nachbarn erholen können? Ich weiss nicht, ob mir diese Lösung gefällt.

Statt die gemeinsame Währung aufzulösen, gibt es aber eine andere Möglichkeit, mit der Tatsache umzugehen, dass -gemeinsame Währung -ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik bei gleichzeitig -starkem wirtschaftlichen Ungleichgewicht eben nicht geht. es geht nicht. Aber deswegen muss man nicht die gemeinsame Währung aufgeben. Es reichte, die Ungleichgewichte zu beseitigen und zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu kommen.

Genau das gehört m.E. in den Kern des Wahlprogrammes für die Europawahl. Und zwar grad weil die egoistischen Spinner das Gegenteil da drinstehen haben.


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Politik