Kann ein Alki im Schnapsladen arbeiten und das überleben?

Geht sowas?

Ich muss kurz erläutern, wie bei mir „Schnapsladen“ definiert ist. Es gibt da in Berlin-Neukölln einen Laden Namens Big Market. Heisst „Big“ weil er gefühlt nicht grösser ist als mein Wohnzimmer. Der Inhaber ist selbst im Laden und er kennt die schottischen Highland-Whiskys. Und zwar genau. Seine Beratung bezüglich Whisky Rum und Sherry ist absolut fantastisch, er trifft meinen Geschmack und den Geschmack meines guten Freundes, der mit den Laden empfohlen und einen ganz anderen Geschmack hat als ich, immer wieder genau auf den Punkt. Dieser Laden schwebt mir vor dem geistigen Auge, wenn ich „Schnapsaden“ schreibe.

Und jetzt stelle ich mir vor, dass ein trockener Alkoholiker auf der Suche nach einem Job ist. Ein trockener Alki kann ein absolut kompetenter Verkäufer sein. Oder ein excellenter Abteilungsleiter einer Computerabteilung in einem Kaufhaus; das weiss ich aus eigener Anschauung: mein Chef des Studentenjobs in der Comtech-Abteilung von Schaulandt Berlin (damals gab es die noch) hat mich viel gelehrt, war mir ein echtes Vorbild und enorm kompetent in Sachen Management, business und Menschenführung. Er war trockener Alkoholiker.

Und jetzt stelle ich mir vor, der würde sich bewerben auf eine offene Stelle in einem Schnapsladen als Verkäufer. Also täglich und immerwährend konfrontiert mit dem alten Suchtmittel. Wenn mal ein Probeschluck auszuschenken ist oder wenn mal eine Flasche zerbricht auch noch mit dem Geruch, nicht nur mit dem Anblick von all dem Zeug da.

Meine eigene Sucht (World of Warcraft, ca. 8 Monate komplett darin abgetaucht) habe ich überwunden durch Totalentzug. Weniger durch Ersatzdrogen - es gibt ja andere Computerspiele zuhauf - als durch Entzug. Und inzwischen ist das so gefestigt, dass ich ohne in den Suchtsog zu geraten auch mal wieder ein paar Monster metzeln kann. Einfach so zum Spass. Das haben jedenfalls Experimente der jüngeren Zeit gezeigt. Ich werde nicht wieder dem Raid-Team meiner alten Gilde beitreten (zumal ich ein Jahr raus bin aus dem Game und daher nicht mehr gut genug), aber gelegentlich zum Spass mal ne Instanz feucht durchwischen, etwas chatten, einfach Entspannung geht ganz gut.

Und jetzt stelle ich mir wieder vor, ein zutiefst Süchtiger, der unter Schmerz die Sucht nach einer Substanz überwunden hat, muss täglich mit genau dieser Substanz umgehen.

All das „Geschwurbel“ würde ein Bekannter wohl sagen, hat natürlich einen Grund und Anlass und wie so of in diesem Blog geht es um mich und nicht um die grosse weite Welt da draussen.

Ich sehe mich grad wieder mächtig mit einer Sucht konfrontiert, der Sucht nach Grossartigkeit. Diese wohnt noch immer in mir, war schon überwunden geglaubt, war schon besiegt geglaubt und doch ist die Bestie nicht mal wirklich verletzt, war nur lange nicht sichtbar. Und die Vorstellung, mich dem quasi täglich in der freiwilligen Arbeit für eine Partei immer wieder auszusetzen, ständig mit meinem Suchtmittel umzugehen aber nicht naschen zu dürfen, weil ich mich sonst wieder selbst beschädige, mich wieder selbst kaputtmache...

... eine Horrorvorstellung.

Also, Stand heute, glaube ich es nicht.


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persönliches