Fast genau auf den Punkt

Hallo tarzun, Du wirst mir irgendwie immer sympathischer. In Deinem Blog triffst Du die Nägel oft genau uffn Kopp.

Aber gelegentlich liegst Du er auch leicht daneben. Und heute glaube ich zu erkennen, warum das so ist. Das Zitat

Schon mal in nem ostdeutschen Dorf abends um 10 an ner Tankstelle gewesen? Mal ein Fußballspiel in den unteren mittelsächsischen Klassen besucht? Wo das „U-Bahnlied“ schon fast zum guten Ton gehört? Nein? Klar, wenn die einzigen Nazis in der Gegend über 70 und in der CDU sind und man sonst nix mit dem alltäglichen Rassismus zu tun hat, da lässt sich prima von „Nazis haben auch Bürgerrechte“ faseln und Blockaden wie in Leipzig und Dresden als „Straftaten“ abqualifizieren.

zeigt mir, warum Du so dünnhäutig und empfindlich auf die rechten Spinner und Halb-Nazis bei den Piraten reagierst.

Mir selbst geht es mit den „Antifa“-Leuten so ähnlich: immer wenn jemand Sprüche wie „wenn mal ne Wanne brennt ist das gelegentlich ganz hilfreich“ absondert, bekomme ich das grosse Rückwärtsessen.

Ja, tarzun, Du hast völlig recht:

Durch die fehlende, deutliche, glaub- und dauerhafte Distanzierung von rechten Spinnern bleiben Piraten für solche rechten Spinner attraktiv. [...] Die Piratenpartei sollte sich endlich mal konsequent, deutlich, dauer- und glaubhaft gegen Nazis, PRO-Irgendwasspinner usw. aussprechen. Stimmt. zu 100% und so unterschreibe ich das.

Aber der Aufruf zu einer Blockade einer genehmigten Demo ist nunmal Straftat - und spätestens da ist für mich die Grenze überschritten. Es muss doch möglich sein, Nazispinner auch ohne „haut se, haut se, immer auffe Schnauze!“ zu bekämpfen. Mal so spitz wie die Nadel eines Rastertunnelmikroskops formuliert: mit Nazi-Methoden Nazis bekämpfen geht nicht. Das geht auch anders. Und mit einem Lächeln.

Fighting for peace is like fucking for viginity. Dieser alte Spruch ist immer wieder gut.

Und er trifft auf ganz vieles zu, was Du völlig zu Recht an den Piraten grad kritisiert: - Schuld sind immer die Anderen - ich darf das! - die haben angefangen!

Wir, die wir in den 80er Michael Jackson cool fanden, haben - man muss Weisheit extrahieren, wo geht! Sie ist so selten! - damals schon lernen dürfen: man muss bei sich selbst anfangen, wenn man Veränderungen will. Aber in der Tat, das ist - äh - unbequem?

Wenn da Deine Dünnhäutigkeit bezüglich der Rechtsaussen nicht wäre, Du lägest genau auf dem Punkt, mein Bester. Einfach locker bleiben wie der hier:

Kater im Körbchen

Okok, die Pöstchenatitis ist echt infantil - allerdings merke ich auch, dass ich beim Reden mit Journallie gerne mal den „Richter am Bundesschiedsgericht“ erwähne. Danach erhält man in den Kreisen dann erheblich mehr Aufmerksamkeit, ist es doch Nachweis, dass mal eine nicht zu vernachlässigende Minderheit von 1000 versammelten Piraten einem das Vertrauen ausgesprochen haben, bei Streitfällen einzugreifen. Macht mich das zum bessren Piraten? Ganz sicher nicht. Macht es mich in der Wirkung auf Journalisten wichtiger? Ganz sicher ja: ich habe Stimmen hinter mir.

Die sich ausbreitende Permission Culture ist in der Tat nervig. Sie breitet sich aus nicht nur in Form von Kommunikationskontrolle in der Aussendarstellung sondern auch in dem von Dir an anderer Stelle kritisierten „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Gerade in Verbindung mit der teilweise extremen Kampfrhetorik „der politische Gegner darf und muss mit allen Mitteln bekämpft werden“, die nicht einmal die Einschränkung auf legale Mittel zulässt sondern als Verrat geisselt, bekomme ich regelmässig eine Gänsehaut.

Dieses permanente Fragen nach „wer hat Dir das erlaubt“ und das Niederknüppeln jedes Abweichlers ist zum Rückwärtsessen. Aber die Bildung von Sinus-Milieus ist womöglich menschentypisch und Piraten daher davor nicht gefeit.

Was die Empörungs- und Lego- und Kompromisslospolitik angeht, bin ich auch komplett bei Dir und ältere Einträge wie hier, hier oder hier zeigen, dass mich sowas regelmässig in Sinnkrisen bezüglich der Piraten stürzt.

Ich habe mich neulich für einen Politikstil eingesetzt, der klassische Politik-1.0 einfach umdreht: statt beim Gegner immer nur nach dem empörenden, den Fehlern und der Unkenntnis wie auch -fähigkeit zu suchen habe ich vorgeschlagen - frei nach dem piratischen Grundsatz - ein Pirat anerkennt gute Leistungen anderer (Hmm. Man schicke mir bitte einen Link, wo das zu finden ist. Habe grad 20 Minuten erfolglos danach in Wiki und Google gesucht) einfach immer danach zu suchen, was der politische Gegner grad richtig gemacht hat. (ghasp!) Entsetzen war die Reaktion: wie denn? Das soll gehen?

Lieber tarzun, ich kann verstehen, dass Du eine Auszeit brauchst.

Nimm sie. Wir haben wohl alle (fälschlich) vermutet, dass die Etablierung der Piraten als fünfte politische Kraft in Deutschland ein Sprint wäre. Es ist ein Triathlon wenn nicht gar ein doppelter.

Ich nehme mir auch grad eine Auszeit, ich brauche die wohl genauso und offenbar aus den gleichen Gründen. Komm gesund, gestärkt und rechtsseitig dickfelliger wieder. Wenn die ganzen Kinnings, die in diesem Wahljahr so gerne beweisen wollen, wie gross und stark sie schon sind, auffe Fresse gefallen sein werden, dann richten wir die gemeinsam wieder auf. Oder - was auch möglich ist - wenn sie volle Möhre Erfolg gehabt haben werden, dann werden wir beide sie bestaunen, beglückwünschen und bei den nächsten Schritten Richtung Bundestag begleiten.

Gruß hase


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Politik