Wir haben unseren Service für Sie optimiert

Sagt eine freundliche weibliche Stimme an der Hotline.
Dazu spielt irdendeine Dudelmusik.

Die von dieser Computerstimme angedrohte Wartezeit beträgt 30 Minuten.
Das wird natürlcih automatisch gemessen anhand der Messung der Verbindungsdauern.
Das funktioniert auch prima: kein Kunde wartet länger als 30 Minuten.

Denn: nach 30 Minuten trennt das Scheissding die Verbindung einfach!
Ick werd' bekloppt!

Aber was wirklich die Verarsche ist: ich will eine DSL-Störung melden, habe also kein Internet.
Und dieser Hotline-Computer sagt mir doch tatsächlich, dass ich doch bitte statt über Telefon meine Störung über das Kundenportal im Internet melden solle?

Wer kommt auf die Idee, dass solche "Optimierungen" irgendetwas bringen?

Nun, ich weiss leider sehr genau, wer darauf kommt.
Mit der Sorte "Manager" hatte ich leider schon mein ganzes Leben lang immer wieder zu tun.
Was die genau wissen ist

  • dass Kunden wegen des schlechten Service weglaufen und dies irgendwo messbar wird, dauert mindestens 6 Monate
  • die "Kosteneinsparungen" wirken schon im Quartal nach der Umsetzung
  • Boni werden quartalsweise berechnet

Das wirkliche Problem an diesem System ist, dass viele Firmen am Ende Manager mit Bonuszahlungen dafür belohnen, die Probleme zu beseitigen, die sie selber (im Vorjahr) angerichtet haben.

Es ist meine Schuld

Zeit, mich an die eigene Nase zu fassen.

Ich habe heute - natürlich - beschlossen, so bald wie möglich den DSL-Anbieter zu wechseln.
Die sollen keine weitere Chance bekommen, mich zu verarschen.

Aber natürlich werde ich bei der Auswahl des neuen Anbieters wieder auf den Preis schauen, nicht auf die Servicequalität.

Denn den Preis kann ich messen (ablesen).
Die Servicequalität kann ich nur vermuten.
Und anektdotisches "ich hatte mit XY noch nie Probleme" hilft etwa so weit, wie ich ein Klavier werfen kann.

Selbst wenn meine absolut vertrauenswürdigen Kontakte noch nie Ärger mit ihren Anbietern hatten:

  • hatten die überhaupt Störungen?
  • ist dieser Anbieter im letzten Jahr irgendwo aufgekauft und eingegliedert worden?
  • haben auch da die "Optimierer" jüngst zugeschlagen?

Man weiss es nicht.
Man nimmt also an,

  • dass alle Anbieter sich an der race-to-the-bottom beteiligen
  • dass die überleben, die dabei besonders schnell besonders billig werden

Es hilft auch nicht, "lieber etwas mehr auszugeben".
Denn nach meinen Erfahrungen sind auch die teureren Lieferanten meisst nicht wirklich besser.
Der höhere Preis ergibt sich oft aus "dem Wert der Marke", wie die BWL das nennt.

Opel, Mercedes, VW (und womöglich andere auch) sind durch "Kostenoptimierung"-Phasen gegangen, die zu gruselig schlechten Produkten führten.
Taxi-Unternehmer, die jahrzehntelan nur Mercedes gefahren sind, kennen exakt ide Jahrgänge, die man auf keinen Fall kaufen sollte.
(In Berlin sehe ich inzwischen viele Dacia Logan als Taxen.
Denen wird zwar keine hohe Qualität oder Langlebigkeit unterstellt. Aber die sind so billig, dass man sich einfach alle 3 Jahre ein neues Fahrzeug kauft; jährliche Abschreibung günstiger als für ein "besseres" Auto.
Ökonomisch ist das vernünftig, ökologisch ergibt es keinen Sinn, Autos nur 3 Jahre zu nutzen).

Wie dem auch sei: mein neuer Anbieter wird wohl eher ein preisgünstiger sein.
Denn wo sollte ich einen guten Anbieter finden?

Denn die Art der "Optimierung" mit der wir es allenthalebn zu tun haben, kennen wir ja aus der Vergangenheit:

Fertigungskosten optimiert

Für einen deutschen Hersteller von Geräten - zur Anonymisierung zum Schutze der Schuldigen hier nicht genauer nach Typ spezifiziert - ist folgende Geschichte überliefert.

Ein Managerlein kommt auf die geniale Idee, zur Optimierung der Fertigungskosten, die Gerätefertigung nach Asien zu verlegen. Das kostet zwar zunächst Geld, aber das spart man ja wieder ein, weil am Zielort kaum Lohn zu zahlen ist und man giftigen Dreck einfach in die Flüsse kippen kann - denn ein wenig palm-grease für drei, vier Personen, die ihren Posten in der Verwaltung zum Wohle der eigenen Bankkontos verstehen, scheint billiger als aufwändiges Recycling.

Auch kostet es zunächst Geld, die Fertigung in Deutschland auf 3-Schicht-Betrieb hochzufahren - durchaus zur Freude der Belegschaft: Schichtdienst schlaucht zwar ungemein, aber wenn die Produkte so beliebt und so begehrt sind, dass man jetzt gleich 2,5-Mal soviele herstellen muss, dann kann ja der Arbeitsplatz nur sicher sein.
Und Schichtzuschläge gibt es auch noch.

So produziert man also 3 Monate lang auf Lager (dessen Kosten natürlcih durch Outsourcing und Subunternehmer- Verarsche sorgfältig optimiert sind!).
Und dann sagt man den Mitarbeitern irgendwann:
Tja, das wars dann, packen Sie mal bitte ihre Werkzeuge in die bereitgestellten Kisten, das Werk wird geschlossen.
Der Betriebsrat hat bereits dem Sozialplan zugestimmt
und so weiter.

Dann verfrachtet man sämtliche Anlagen und Werkzeuge an den Zielort und stellt diese da wieder auf.
Die Kunden könne aus dem angelegten Lager weiter bedient werden, merken also nichts davon.

Dann fährt man die neue Fertigung wieder hoch.
Bzw. man versucht es.
Womit natürlcih keiner rechnen konnte: passiver Widerstand der verarschten Mitarbeiter hat dafür gesorgt, dass nicht alle Werkzeuge den vorgesehenen Arbeitsstationen zugeordnet werden können: sie lagen in der "falschen" Kiste.

Und der Ausbildungsstand der neuen Belegschaft lässt nicht zu, dass diese darauf kommen, wie man das umsortiert.
Der Umzug erfolgte ja nicht, um eine besser ausgebildete sondern eine billigere Belegschaft zu bekommen.

Transportschäden an den verfrachteten Anlagen kommen hinzu.
Aber besonders nervig wird die Tatsache, dass diese asiatischen Mitarbeiter der lateinischen Schriften so wenig mächtig sind.
Die können die (deutschen) Zeichnungen, Pläne, Arbeitsanweisungen und so fort schlicht genauso wenig lesen, wie ich Hangul, Kyrillisch, Mandarin oder Kanji lesen kann.

Lange Geschichte kurz: Die Fertigung kommt nicht ins Laufen.
Irgendwann ist das aus der alten Fertigung gefüllte Lager leer.
Dann fangen Kunden an zu nörgeln.

Irgendwann kommen dann die ersten Geräte aus der neuen Fertigung.
Aber die funktionieren nicht: Dinge passen nicht zusammen (z.B. weil Masse umgerechnet wurden, die keiner Umrechnung bedurften, weil sie schon metrisch waren) Geräte funktionieren nicht, weil die Prüfgeräte nicht in Betrieb genommen werden konnten (da lagen wohl die Mess-Adapter in der falschen Transportkiste? Halt da, wo grad Platz war).

Das ist dann der Punkt, wo das Management beschliesst, dass das Qualitätsproblem dringend gelöst werden muss.
Ideen gibt es mehrere, ausgewählt wird die Variante, ein leerstehendes Werk in Deutschland zu nutzen: genau jenes, wo die Fertigung vorher schon war.
Den Ausschlag gab die Feststellung, dass an diesem Ort hoch qualifiziertes Personal verfügbar ist und so eine hohe Fertigungsqualität sichergestellt werden kann.

Man versucht also, die alten Leute wieder anzuheuern.
Einige haben bereits neue Jobs.
Einige können ihren Stolz nicht überwinden und würden eher verhungern als für den Laden wieder zu arbeiten.
Aber man finden welche.

Mittels teils neuer, teils der aus dem Asien-Werk zurücktransportierter Maschinen beginnt man mit einer kleinen Fertigung.
Geht auch soweit erstmal ganz gut.

Nur die Kunden sind inzwischen zu anderen Lieferanten gewechselt, man wird die Geräte nicht recht los.
Von der alten, dominanten Marktposition kann man nur träumen.

Neue, modernere Geräte, hat man nicht im Angebot.
Die Entwicklung wurde schon Jahre vorher optimiert und schliesslich war man jetzt ein Jahr lang vor allem mit dem Umzug nach Asien (Kosten senken!) befasst.
Da konnte man sich nicht um neues Zeug kümmern.

Fertigung ohne Absatz ergibt wenig Sinn.
Das erkennt dann auch das Management - und beschliesst schweren Herzens wie es in der Mitteilung an die Belegschaft heisst, das Werk zu schliessen.

Boni werden fällig

Aber während dieser ganzen Misere, die einige Mitarbeiter durch zwiefache Entlassung an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hat, wurden natürlich auch Manager-Leistungen erbracht - und mit Boni belohnt.

  • Für die Kostensenkung in der Fertigung (-> Asien) gabs einen Bonus
  • Für die Lösung des Qualitätsproblems gabs einen Bonus
  • Für die Kostensenkung (Werk schliessen) gabs einen Bonus.

Es ist nicht überliefert, wer diese Boni erhalten hat, aber es ist ausgesprochen wahrscheinlich (anhand der Organigramme), dass dieselbe Person in allen drei Fällen belohnt wurde.

Dieses System von "Schaden anrichten und sich dann für die Lösung belohnen lassen" findet sich erschreckend oft.
In der Wirtschaft, in der Politik, wo noch?


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