Pixar message

Erkenntniss findet man

überall. Gerade, wenn man nicht danach sucht.

Ich weiss gar nicht mehr, wer mich auf die Spur des Youtube-Spots, den offenbar einige Pixar-Mitarbeiter gemacht haben, gesetzt hat. irgendein Tweet vermutlich.

Natürlich geht es dabei vor allem um die Gay Rights, und auch die Piratenpartei hat auf ihrem zweiten Bundesparteitag im Jahre 2010 einen Passus in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen, der sich klar positioniert, der keine Unterschiede zwischen Menschen macht.

Beim Ansehen des Pixar-Employee-Spots drängten sich mir einige Gedanken auf.
Vor allem das unendliche, entsetzliche Leid, das viele der Schilderungen enthalten, hat mich schwer getroffen.
Da berichtet eine der Damen davon, dass sie eher Selbstmord begehen denn sich zu ihrer Homosexualität bekennen wollte.
Auch andere stellen sehr mitreissend den Druck dar, den die - hier amerikanische, aber ist unsere so viel besser? - Gesellschaft aufbaut. Lieber sterben?

Tatsächlich ist „dazugehören wollen“ eine elementare Triebkraft des Menschen.
Wir sind Lebewesen, die in der Gruppe leben und nur in der Gruppe existieren, nur in der Gruppe Mensch sein können.
Das führt automatisch zu Anpassungsdruck: man muss eben so sein wie alle anderen in der Gruppe.

Hmm.
Ist das nun was Gutes oder was Schlechtes?
In der Tat reproduziert sich „Gesellschaft“ und „Kultur“ über genau diese Anpassung. Auch ein Sich-Dem-Zeitgeist-Widersetzen ist letztlich ein Beitrag zur Gesellschaft, man kann nicht Nicht-Teilnehmen. Ausser man geht als Einsiedler irgendwo weit weg wie z.B. in dieser Fernsehserie dramatisiert, aber auch dieser Einsiedler muss immer mal wieder Menschenkontakt haben.

Aber muss so ein Anpassungsdruck so weit gehen, dass er eine sexuelle Orientierung vorschreibt?
Was käme dann danach? Haarfarbe?
die Nazis haben diese Widerlichkeit mit Rassegesetzen konsequent auf die Spitze getrieben und besonders deutlich gezeigt, wie verbrecherisch das im Kern ist.

Das muss auch anders gehen.
Freiheitlich halt.

Und auch das finden wir in dem Spot.
Wir sehen Menschen, die das Coming-Out als Befreiung darstellen, die sich von dem immensen Anpassungsdruck einer Gesellschaft, die sich selbst immer als besonders freiheitlich sieht, dann aber auch immer wieder das Gegenteil lebt, lossagen, sich davon frei machen.

Der Schlüsselsatz war für mich dabei der jener blonden Dame (bei 1:43), die auch am Anfang in den Spot einleitet.
So, I had a choice to make: would I be treated myself, or ... would I live a life of lies?

Das ist genau die Frage.
Ich muss mich dieser Tage fragen, wie öffentlich mein Leben sein sollte, was muss ich verbergen, was sollte ich verbergen, was darf ich veröffentlichen und was muss ich gar Anderen aufdrängen?

Eine Mailinglistendiskussion über Liquid Feedback hat neulich ein Diskutant terminiert mit (sinngemäss) „Du post-privacy, ich privacy - Diskussion sinnlos“.
In der Tat ist das ein wichtiger Graben innerhalb der Piraten.

Für mich bleibt es dabei: Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Partei erfordern Piraten (beiderlei Geschlechts hätte ich beinahe geschrieben, aber das wäre mit dem Grundsatzprogramm nicht mehr kompatibel), die zu sich selbst und zu ihrer politischen Aktivität stehen.
Nein, Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung darf nicht nur offen erfolgen, sie muss offen erfolgen, eine anonyme Teilhabe an politischer Willensbildung innerhalb einer Partei lehne ich ab.

Ich kann verstehen, dass man in der Anonymität ein Schutzschild gegen den Anpassungsdruck sehen kann.
In der Tat kann man in der Anonymität sehr unangepasst sein, der Druck ist nicht spürbar.

Er ist aber noch da - und das ist das Problem.
Anonymität hat Nebenwirkungen und diese will ich nicht haben.
Aber ich kann verstehen, dass dazu vor allem der Anpassungsdruck weg muss, das gnadenlose „igitt, der ist ja so anders“.

In der Piratenpartei, die mir vorschwebt, braucht man nicht viel Mut, um sich zu sich selbst zu bekennen.
Aktuell ist das tatsächlich gelegentlich wie der erste Sprung vom 10-m-Turm.
Da wo ich hinwill, ist das wie der erste Sprung vom Einer: halb so schlimm.

Aber es bleibt dabei: jetzt Anonymität zu fordern hintertreibt das, verhindert es. Es ist keine Brücke hin zur Verbesserung sondern eine Mauer quer über den Weg.


Published

Category

Politik

Tags