Testbericht: pm2art V2.1

Die Piratenpartei Berlin hat zum Parteitag geladen.
Der erste Tag verlief fast ohne Blutvergiessen (eine kleine Schnittwunde verlangte nach einem Pflaster) und ohne physische Feindseligkeiten.
Auch verbal waren keine Feindseligkeiten zu spüren. Die Piraten sind ganz sicher kein Wischi-waschi-alles-Konsens-Verein. Hier prallen schon Meinungen aufeinander, es wird diskutiert, gestritten und auch schon mal sehr emotional geschimpft.
Aber die gemeinsamen Grundsätze einen offenbar mehr, als ich selbst gehofft hätte.
Entweder das, oder die Themen waren gestern nicht kontrovers genug. Heute kommen die Satzungsfragen, vielleicht wird das spannender.

Aber zum Thema.
Die neue Release des beliebten IT-Tools pm2art ist offenbar voll im Einsatz und liefert die ersten Ergebnisse.
Schon kurz nach dem Bau der ersten „Elektronengehirne“ - das war zu Zeiten des Eniac noch die landläufige Bezeichnung für Computer - fing die Phantasie an zu spriessen. Diese Maschinen sind Menschen bei bestimmten Leistungen hoffnungslos überlegen: rechnen können die besser als jeder Mensch. Schnell, präzise, immer auf den Punkt, ohne Flüchtigkeitsfehler.
Wenn diese „Elektronengehirne“ dann womöglich auch bei den anderen Leistungen Menschen überlegen sein sollten - boah. Unter solchen Eindrücken kann man natürlich Phantasie entwickeln.
Die KI-Forschung erzählt uns seit - äh - 40 Jahren nun, dass man im Prinzip die Erkennungsleistungen eines Menschenhirnes nachbilden kann und man eigentlich nur etwas mehr Leistung in der Hardware braucht, dann klappts.
Seither ist die Leistung der Prozessoren leicht angestiegen (in den letzten 20 Jahren bei meinen PCs ca. 10.000-fach). Und die KI braucht noch etwas mehr Leistung, nur noch etwas. Ein klein wenig.
Dann werden Spracherkennung statt Tastatur (sehr nützlich beim Telefonieren im Auto: solange man dabei nichts in die Hand nimmt, ist‘s ja noch erlaubt), selbstfahrende Autos und ähnliches den Alltag erobern wie bisher nur die nervigsten Klingeltöne der Welt oder Leuchtdioden in den Absätzen von Turnschuhen.
Nunja, zugegeben, Fortschritte sind zu sehen, aber leider wieder mal auf dem falschen Gebiet. Die olivgrünen haben inzwischen Technik, die in der Leistung einem Bienen“hirn“ nahekommt. Eine Biene kann ein Suchmuster fliegen, ein Zielgebiet auffassen und dann in der Zentrale die Lage (Richtung und Entfernung) des heute blühenden Feldes kommunizieren. Die Predator Drohnen und ähnliche Waffen kommen inzwischen in die Nähe dieser Leistung.

Und nun schickt die KI-Forschung nach sensationellen Erfolgen wie Verbmobil die Software pm2art in der neuen Version ins Rennen.
Verbmobil war m.W. einmal angetreten als automatischer Übersetzer, der die Gesetzestexte in der EU-Bürokratie automatisch übersetzt und im zweiten Schritt dann die Dolmetscher für die Sitzungen der EU-Gremien überflüssig macht. Sensationeller Erfolg, nachdem die Ziele leicht abgesenkt wurden. Ist ja beliebt in der Informatik: „unsere Lösung passte nicht zum Problem, wir haben aber das Problem erfolgreich angepasst“.

Und jetzt aber pm2art, der automatische Konverter, um aus Pressemitteilungen komplette Agenturmeldungen zu machen. Auch zur Konvertierung von Agenturmeldungen in Zeitungsartikel kann man das gut verwenden.
Die erste Beta-Version ist ja schon länger im Einsatz gewesen. Die Entwickler haben zugesagt, dass die bekannten Bugs jetzt gefixt sind und so etwas nicht mehr passieren kann: aus einer Pressemitteilung, die vorhandene Gesetze zur Löschung von Kinderpornographie für ausreichend (neue also für überflüssig) erklärt, machte die Beta eine Agenturmeldung, die das Löschen selbst für überflüssig erklärte. Aber so Kleinkram kann man natürlich schnell übertünchen.
Die neue Version 2.1 soll das jetzt alles besser machen. Damit ist dann der Qualitätsstandard wieder gesichert. Die gebeutelten Zeitungsverlage, denen die bösen Blogger, das böse Internet und die böse Tagesschau die lieben Anzeigenkunden klauen und das Geschäftsmodell zerstören. Dieses Geschäftsmodell ist ja bekannt, kaum jemand bringt es prägnanter und kürzer auf den Punkt als Die Ärzte in lasse redn („... Angst, Haß, Titten und dem Wetterbericht“).

Ich bin in der Diskussion um Qualitätsjournalismus immer hin-und-her gerissen.
Da ich selbst einmal als Schreiberling gelebt und gearbeitet habe und weiss, wie knifflig es ist, von Journalismus zu leben und dabei nicht dem Ziehen, Schieben und Jammern der Anzeigenverkäufer nachzugeben, sondern gräßliche Dreckssoftware als solche auch dann noch zu beschreiben, wenn der Hersteller zwei Seiten vierfarbig für 3 Ausgaben gebucht hat.
Ich sehe daher ein, dass Qualitätsjournalismus sein muss und sein soll.
Aber wieso dieser nicht anzeigenfinanziert weiterlaufen kann wie gehabt, ist mir nicht klar.

Und vor allem müssen mir die Qualitätsjournalisten mal erläutern, wieso die Auflistung in einer Suchmaschine eine Nutzung des Angebotes sein soll.
Insbesondere, da die Anbieter jede Möglichkeit haben, dass die Suchmaschinen sie eben nicht finden.
Man kann die Artikel hinter Captchas verstecken. Man kann einfach robots.txt setzen, dann indiziert auch Google die Qualitätsseiten nicht mehr und kann dann auch nicht mehr kanz pöse Geld kassieren dafür, dass es eine sinnvolle Dienstleistung anbietet, die die Zeitungsverlage selber gerne nutzen.

Die Scheinheiligkeit in der Diskussion um den sog. Qualitätsjournalismus, der vor dem bösen öffentlich-rechtlichen Angriff geschützt werden muss, nervt mich total an.
Es geht nicht um Qualität, es geht nicht um Journalismus. Es geht um kaputte Geschäftsmodelle und das Melken des Steuerzahlers zur Rettung der Bilanz. Es geht um Hofberichterstattung, die sich für die Verlage bitteschön auch lohnen soll.
Bäh!


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