Forderungen aufstellen geht ja immer.¶
Und vor allem ist das Aufstellen von Forderungen immer billig.
Aber wenn man sich dann die eine oder andre Pressemitteilung mal auf dem
Kleinhinrn zergehen lässt und nur ein paar Minuten drüber nachdenkt, dann
fällt schnell auf, was für Dummes Zeug da immer wieder verbreitet wird.
Nehmen wir als Beispiel mal folgende Meldung bei heise
So ganz auf den allerersten Blick klingt das ja erstmal gut.
Open Source sowieso, das ist im Grunde immer zu wünschen - speziell wenn
öffentliche Gelder im Spiel sind würde ich mir wünschen, dass wir die
amerikanische Haltung adoptierten: wenn öffentliche Kohle, dann Public Domain.
Was natülich nicht so ganz einfach ist: das Konzept der Public Domain kennen wir auf dieser Seite des Atlantiks nicht. Wir kommen dem zwar irgendwie nahe, aber das genaue Konzept, dass ein Werk einfach niemandem gehört, gibt es nicht mehr. Und da, wo es das gibt - bei altem Liedgut zum Beispiel, bei dem einfach nicht mehr zu klären ist, von wem wohl Komposition und/oder Text stammen - da entfernen wir es wieder (indem wir zum Beispiel ein Urheberrecht auf den Notensatz definieren und so selbst gemeinfreie Werke wieder komerzialisieren oder gar monopolisieren).
Aber darum geht es bei der Digitalen Landwirtschaft grad nicht.
Sondern da sind wir bei einem anderen Spannungsfeld:
Die Experten fordern, dass die Landwirte die Herrschaft über ihre Daten behalten sollen.
Sie merken aber auch, dass nur die Zusammenführung solcher Daten einen
Mehrwert verspricht.
Und sie erkennen, dass die Mehrwerte, die sich am einfachsten darstellen
lassen, die Gewinnmöglichkeiten für die Quasimonopolisten unter den Zulieferen
sind: die Düngemittel, "Pflanzenschutz"-Mittel und sonstigen Hersteller.
Immer wieder ist die Rede davon, dass "Daten der Rohstoff der Zukunft"
seien.
Ich weiss nicht so recht, was das heissen soll - Hoffnung macht mir bei dem
Spruch eigentlich nur, dass Rohstoffe immer irgendwie langsam
versiegen; und nach meinem Geschmack kann es gar nicht schnell genug gehen,
dass der Datenzustrom für Kraken vom Facebook- oder Google-Typ
versiegt.
Facebook hat grad dieser Tage wieder zugegeben, worum es eigentlich geht.
Wiederum bei heise wird
Facebook zitiert damit, dass man ja um die Aufmerksamkeit der Nutzer
mit anderen Diensten konkurriere und insofern nciht marktbeherrschend sei.
Dieselbe Meldung auch bei Golem
wird ebenfalls später durch Facebooks entlarvende Erwiderung ergänzt,
Spiegel Online
spart sich diese Arbeit.
Ehrlich gesagt: An Facebooks Haltung ist was dran.
Der Rohstoff, von dem die ganze "Internet-Wirtschaft" lebt, ist die
Aufmerksamkeit der Nutzer.
Also genau das, was ich dieser Wirtschaft grad "stehle", indem ich
Ihre - werte Leserin, werter Leser - Aufmerksamkeit ablenke von all der Werbung,
die doch das Geld bringt.
Aus disem Blickwinkel betrachtet ergeben plötzlich Dinge einen Sinn, die
aus jeder Vernunftposition heraus komplett Dummes Zeug sind.
So "Suchmaschinenoptimierung" oder Einbettung von Google Analytics auf der
eigenen Webseite oder das ganze Clickbait-Gezappel.
Und in der Tat ist Aufmerksamkeit der Nutzer eine Ressource, die nicht
mehr wird.
Denn die Menschheit wird nicht mehr viel grösser (drücken wir mal die
Daumen, dass Rosling da recht hat).
Und die Menschen werden - hoffentlich - vernünftiger und widmen mehr ihrer
knappen Zeit den wirklich wertvollen Dingen im Leben (also, den
wirklich wichtigen Menschen).
Und in der Landwirtschaft?¶
Andererseits: Daten über eine Kuh zu sammeln hätte ich kein Problem.
Oder über eine Wiese.
Denn das sind keine Menschen und die Menschenrechte sind nicht anwendbar.
Und der Datenschutz leitet sich aus den unmittelbaren Menschenrechten her
(oha - dann wäre Facebooks Geschätsmodell nah an der
Menschenrechtsverletzung - huiii).
Was die Landwirte in Deutschland vernünftigerweise vermeiden wollen ist,
gegeneinander ausgespielt zu werden von marktbeherrschenden Firmen.
Also den Albtraum, den die Hühnermäster in den USA schon heute erleben:
die erhalten Prämien, wenn sie ihre Hühner mit weniger Futter mästen als
ihre "Wettbewerber".
Es nennt sich Wettbewerb, aber alle Mäster bekommen alles fest vorgegeben:
die Küken, das Futter (von welchem Lieferanten), wie die Ställe
auszusehen haben etc.
Entscheidungsgewalt des "Landwirts": Null.
Nicht mal aussteigen kann er, denn der Kredit für den Stallneubau kommt auch
von der Firma, mit der er seine Zulieferknebelverträge hat.
Vor so einer kompletten Fremdsteuerung haben die Landwirte zu Recht Bammel.
Und daher ist auch einzusehen und zu verstehen, warum sie davor Schutz fordern.
Weniger leicht einzusehen ist, warum die mächtigen (und dick ausgestatteten?)
Verbände wie der Bauernverband oder die DLG oder wer auch immer dann nicht
einfach selber tätig werden.
Liegt das nur daran, dass es natürlich viel einfacher und billiger ist,
so ein Tätigwerden von der Bundesregierung zu fordern?
Es gibt ja in Deutschland durchaus sehr gut funktionierende Zweckverbände,
die von Wettbewerbern getragen werden - oder zumindest wurden.
Sowohl die DENIC als auch der eco/das DE-CIX sind ja doch Erfolgsgeschichten, oder?
Aber der Bauernverband ist halt Altland und daher gewohnt: ein anderer
zahlt, gerne auch mal der Steuerzahler.
Selber machen? Verantwortung übernehmen?
Nööö, das ist was für andere.
Womit wir in der Politik ankommen.
Ich beobachte das jetzt eit ein paar Jahren intensiver und auch bei den
Piraten stellt sich immer wieder dieser Hang ein: Forderung aufstellen.
Dann hat man "Programm" gemacht und "Politik".
Was mich 2009 selber in die aktivere Rolle in der Politik - also Parteimitgliedschaft,
aktive Arbeit bis hin in Vortände und andere Gremien - getrieben hat
ist vor allem die Un-Ehrlichkeit und Un-Ehrenhaftigkeit, mit der diese
Forderungen immer wieder aufgestellt werden.
Diejenigen die da fordern, fordern nur von anderen, nicht von sich selbst.
Auch bei den Piraten haben wir das leider immer wieder erlebt.
Und dafür braucht es keine neue Partei, das liefern die Altparteien zur Genüge.
Ja bis zur Rückwärtsessen-Grenzen.
Und das muss aufhören, denn diese Dichotomie nutzen die Faschos zur Zerrüttung
der Demokratie: für sich selbst fordern diese immer Freiheiten, die
sie anderen (meisst allen anderen) absprechen.
Zerrüttend ist das, weil es als Vorbild misbraucht wird, gleiches mit gleichem
zu vergelten - also selber Fascho-Verhalten gegen die Faschos in Anschlag zu
bringen.
Das Spannungsfeld Freiheitliche Demokratie besteht darin, dass wir Demokraten auch jenen, die uns die Freiheit rauben wollen, noch alle Freiheiten einräumen müssen.
Leicht auszuhalten ist das nicht.
Da brauchts Piraten dafür.