Illustration of Niqab and Burka

Sexismus und Symbolpolitik

Burka und Niqab sind Symbole für Sexismus par excellence.

Sexismus, das ist eben nicht ein Brüderle, der eine Journalistin - äh - doof anmacht. Also: nicht nur.

Das Vorurteil, dass alle Muslime alle Frauen unterdrücken wollen, hat eine Quelle. Wie alle Klischees wird es zum Klischee, weil irgendwie was dran ist - oder zumindest zu sein scheint.

Die Quelle für das Vorurteil sind jene Muslime, die tatsächlich Frauen unterdrücken, massenhaft, systematisch und teilweise unfassbar brutal.

Wie konnte aus einem Symbol für den Schutz der Frau vor Übergriffen ein Symbol für die Unterdrückung von Frauen werden?

Denn als Schutz wurde die uniforme Verhüllung in der Tat damals eingeführt. In einer Gesellschaft, deren Familienclans in mörderischer Blutrache miteinander verstrickt aber gleichzeitig auf Handel angewiesen sind, ergibt das Regelwerk tatsächlich einen Sinn.

Wenn sich Mitglieder verschiedener Familien täglich (wegen der Frischware) auf dem Markt treffen müssen, aber Blutrache ausgesetzt sind, dann sind Heckenschützen eine Gefahr. Wenn aber alle Frauen gleich aussehen, dann gibt letztlich keine mehr ein Ziel ab: der Schütze wird nicht riskieren wollen, die Falsche zu treffen und sich in noch eine Fehde zu stürzen.

Eine weitere Gefahr bleiben Nahkampf-Attentäter, daher muss die Frau von einem Begleiter, der ständig verteidigungsbereit ist, beschützt werden. Nochmal: wir sprechen über eine Zeit, da das Frauenbild durchaus noch ein paar Jahrhunderte zu reifen hatte; damals galten Frauen noch als automatisch schutzbedürftig.

Der Begleiter muss Vater, Bruder oder Ehemann sein, mithin ein Mann, dem man Einsatz seines Lebens für die Betreffende zutraut. Mindestens unbestechlich zu sein. Damit nicht auffällt, wer der Begleiter welcher Frau ist (was den Zweck der Tarnung hintertriebe), muss sie in einiger Entfernung zu ihrem Begleiter laufen. Und sie muss die Lasten zum und vom Markt tragen, damit Männe die Hände frei hat für den Fall der Fälle.

Betrachtet man das Regelwerk von dieser Warte aus, ist die uniforme Verhüllung tatsächlich ein Schutz der Frauen gegen Angriffe.

Mal angenommen, du hättest in so einer Rachegesellschaft die Aufgabe, eine Lösung zu finden, die zumindest weitere Eskalation verhindert. Würdest du den Leuten einfach auf die Nase binden „ihr seid doof, dass ihr so in Rache badet“? Wo doch jeder, der Rache verfolgt, das grundsätzlich als „Gerechtigkeit üben“ empfindet?

Es ist in der Tat wirksamer, es über die Religion in der Gesellschaft zu verankern. Als heilige Regeln halt. Die werden dann schön weiterverbreitet und es gibt immer genügend selbsternannte Wächter, die vehement die Einhaltung der heiligen Regeln einfordern.

Also: alles superschön?

Mitnichten, wie wir nur ein paar hundert Jahre später erleben. Denn der Grund für die Regeln ist entfallen, die Regeln bestehen aber weiter. Und sie sind heilig...

Wenn Regeln bestehen, nur weil sie bestehen, sinnleer und grundlos, dann suchen sich Menschen anscheinend neue Gründe. Oder besser: basteln sich was zusammen.

In die hinterlassene Lücke ist die Unterdrückung der Frau offenbar vorgestossen. Und so wurde aus einem Symbol des Schutzes ein Symbol der Unterdrückung. Und wenn es nicht so gewesen ist, so könnte es so gewesen sein.

Ich habe in meinem knappen Jahr in der arabischen Welt (Ägypten und Dubai, durchaus eher Softcore, grad verglichen mit dem, was die Kollegen aus Riad berichteten) unheimlich viele Muslime kennen und schätzen gelernt. Und Muslima genauso - eine der tollsten Frauen, die ich je kennengelernt habe, war eine Ingenieurin aus Jordanien, mit der ich in Dubai zusammengearbeitet habe.

Ich habe auch dort die oben umrissene Logik zur Wandlung der Bedeutung des Symbols gelernt. Von einem Muslim. Dem die Scham anzumerken war, wie auch die Hilflosigkeit: er fühlte sich machtlos, im Angesicht der gesellschaftlichen Zwänge.

Solche Zwänge sind massiv. Wer ehrlich ist, wird das bestätigen.

Solche Zwänge zu verändern, ist Schwerstarbeit. Bearbeitet wird dabei nicht Papier, das ist zu geduldig. Bearbeitet werden bei diesen Prozessen Herzen. Da müssen Sexismus und andere -ismen raus. Für immer.

Und dann wird aus der Burka einfach ein Kleidungsstück.


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Politik