Technik is nich für jeden

Beziehungsweise, Technik ist schon für jeden da, jedenfalls für jeden, der sie einsetzen will. Gibt ja auch Totalverweigerer. Aber das Diskutieren über Technik ist offenbar sehr knifflig. Die Björn-Steiger-Stiftung ist an sich eine gute Sache. Zunächst einmal ist sie genau das, wofür Stiftungen in Deutschland vorgesehen sind (Tarnung von Schwarzgeld und Steuerhinterziehung sind ja nicht die ursprünglichen Zwecke). Und sie tut auch eine Menge dafür, dass wir in Deutschland sicherer leben wenn es gefährlich wird, also z.B. im Strassenverkehr.

Aber gelegentlich liefert sie eben auch Beispiele, wie man es gerade nicht machen sollte. Ein Beispiel ist die Handy-Ortung von Unfallopfern. Die Steiger-Stiftung hat hier eine Technik mit entwickelt, dann aber in die falschen Hände geraten lassen, wie man hier bei Telepolis nachlesen kann (zur Vorgeschichte auch dieser Artikel). Nun mag man sagen, dass sei doch nicht so schlimm, schliesslich haben wir auch die anderen Formen der Handyortung schon privatisiert: die erste Lizenz für ein GSM-Netz ging in Deutschland an ein Privatunternehmen namens Mannesmann Mobilfunk - und bei GSM gehört eine relativ genaue Lokalisierung der Teilnehmer zum Bauprinzip: wenn ein Anruf kommt, muss das Netz ja wissen, wo das Handy ist, um es zum Klingeln auffordern zu können. Wie gesagt: diese Lokalisierung ist relativ genau, vor allem, wenn man nicht Momentaufnahmen („aktueller Funkmast“) sondern Verläufe über der Zeit betrachtet. Daher begründet sich auch ein Teil der Gier der Oberpolizisten nach solchen auf Vorrat gesammelten Daten. Nun kann also auch noch eine Tochter der grössten deutschen Bank ein Handy orten. Also, jedes, unabhängig vom Netzbetreiber ; oder fast jedes, wenn es E-Plus gelingen sollte, sich von der Allianz Ortungsdienste zu lösen.

Wir lernen hier wieder: wer gegen Vorratsdatenspeicherung vorgehen will, muss die privatisierte Variante mit berücksichtigen. Das Zensursula-Beispiel hat uns das ja gelehrt. Da hat die Frau Ministerin das sperrige demokratische Gesetzgebungsverfahren ja zunächst zu vermeiden gesucht, indem sie durch privatwirtschaftliche Verträge das gewünschte Verhalten der Datentransportdienstleister (aka ISPs) erzeugt. Neben Der Polit-Wäsche via Brüssel - so bezeichne ich analog zur Geldwäsche das Verhalten, im nationalen Parlament zunächst gaaaanz doll gegen etwas zu sein, das man dann aber als EU-Richtline munter vorantreibt, um sich hinterher in „da waren wir machtlos“-Rhetorik üben zu können - nimmt in meinen Augen die Privatisierung der Politik immer grössere Auswüchse an. Das äussert sich z.B. in der Erpressbarkeit der Politik, die eigentlich das Heft in der Hand halten sollte, aber dann in „too big to fail“, „systemisch“ und dann letztendlich „alternativlos“ Entscheidungen enthüllt, dass sie eigentlich nur ein Marionettentheather aufführt. Was nicht gut ist.

Aber Anlass zu diesem Artikel gibt mir eine ganz andere Meldung, und die hat etwas mit Kompetenz zu tun. Das ist ja ein vertracktes Ding, denn oft reicht es, einen groben Überblick zu haben um in einem Gebiet einigermassen kompetent zu sein. Aber oft genug steckt der Teufel im Detail.

Aktuell wird einmal wieder über Notrufe diskutiert. Die zuständigen Beamten sind übrigens durchaus kompetent, nur eben nicht besonders schnell im Vergleich zur technischen Entwicklung. Wie auch - denn gründlich sollen sie ja auch sein. Die Entscheidung, SMS nicht als Notrufkanal zuzulassen, wurde denn auch von einigen mit Hohn und Spott kommentiert. Und von der Steiger-Stiftung denn auch kritisiert, wie wir bei heise nachlesen können.

Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Wer die Technik, die hinter SMS steckt, kennt, der weiss, dass sie nicht als Notrufkanals taugt. Schon bei VoIP-Notrufen krampft sich mir der Magen zusammen, denn die Auslegung der Netze, auf denen diese Daten transportiert werden, unterscheidet sich von der Auslegung klassischer Telefon- und Notrufnetze. Vielleicht bin ich als Ingenieur, der im Deutsche Bundespost-Umfeld techno-sozialisiert wurde, da falsch vorgeprägt? Vielleicht ist ja ein Kanal, der unter guten Umständen einigermassen, unter worst-case-Bedingungen aber gar nicht funktioniert für Notrufe völlig ausreichend? SMS taugt für Notrufe nicht. Die echten Experten sind die, die es benutzen: z.B. Feuerwehrleute. Die kennen sich aus, die wissen Bescheid und wohl genau deshalb hört keiner auf sie? Bitte versteht mich nicht falsch: ich würde es begrüssen, würde der Gesetzgeber den TK-Netzbetreibern die Auflage machen, SMS so umzubauen, dass es als Notrufkanal taugt: wenn entsprechende Redundanz und Garantien für die Zustellzeit hergestellt sind - Bob‘s your uncle.

Würde man aber den aktuellen SMS-Dienst zum Notrufkanal adeln, dann weckte man in meinen Augen beim Nutzer die Erwartung, dass dieser Kanal dafür taugt. Und dass das amtlich festgestellt wurde. Und dann würde ich gern den ersten Fall erleben, wo die Feuerwehr 5 Minuten nach Eingang der Notruf-SMS an den nur noch glimmenden Überresten des abgebrannten Hauses ankommt, das zwei Stunden vorher in Flammen aufgegangen war. Denn so lange kann die Auslieferung schon mal dauern.

Der Dieter Nuhr hat das Problem mit der Kompetenz mal schön auf den Punkt gebracht: „wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“. Zugegeben, auch ich halte mich nicht immer daran, aber zumindest habe ich den Satz immer im Hinterkopf.

Zumindest bin ich froh, dass in den zuständigen Ministerien noch Beamte mit Kompetenz sitzen und diese neben Telefon und Fax derzeit kein wirklich echtzeitfähiges Notrufsystem erkannt haben; SMS jedenfalls ist nicht echtzeitfähig in den Zeitschranken, die für Notrufe erforderlich sind. Sagt wer? Also hier zumindest einer, der schon SMS-Systeme für GSM/UMTS-Netze mitgebaut hat.


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