Döttinger Höhe

Zweiter Tag Perfektionstraining. Nordschleife. Nürburgring. Eifel.

Man sagt ja, in der Eifel seien die Jahreszeiten am Wetter nicht unterscheidbar, nur der Regen sei im Sommer etwas wärmer. Aber heute - gaaaanz im Gegensatz zu gestern - war Fahrtwind gefordert: die Sonne knallte mit den 1 kW/m² die sie so in unseren Breiten liefern kann, von einem Himmel, den nur wenige Wolken verschleierten. Da kam doch echte Körpertemperatur auf.

Mit dröhnen noch die Ohren, selbst jetzt, 3 Stunden nach Ende des Trainings. Und das, obwohl ich permanent mit Ohrstöpseln gefahren bin.

ausserdem schwirrt mir der Kopf. Der Tag gestern war eine Lektion in Demut. Irgendwie war es demütigend, der Schwächste Fahrer in der Gruppe zu sein und trotz meines etwas monströsen Motorrades nicht recht mithalten zu können. Es ist wie im Handwerk: nicht das Werkzeug zählt sondern die Hand, die es führt.

Kalt, nass, demütigend - ich war gestern schon kurz davor, heute einfach nicht mitzufahren. Und was hätte ich verpasst?

Verpasst hätte ich einen der wohl gloriosesten, besten, aufregendsten und adrenalingeladensten Tage meines Lebens. Wow, war das geil.

Was den Faktor „Lerneffekt je Euro“ angeht, habe ich wohl alle anderen Teilnehmer, mindestens aber die Mitglieder meiner Fahrgruppe ausgestochen. Am Ende des Tages konnte ich Kurventempi locker mitgehen, die ich mir selber nie zugetraut hätte. Schräglagen bei denen die Fussrasten beginnen, den Asphalt aufzurauen, waren kein Problem mehr, selbst das mit der Gewichtsverlagerung (zur Verminderung der Schräglage) fing an zu klappen.

Die Nordschleife ist schon was besonderes. 70 Kurven auf 20 km, das ist anders als typische Rennstrecken, wo man nach wenigen Stunden jede Kurve kennt. Hier kam bei mir erst heute nachmittag so etwas wie Wiedererkennen einer Kurvenkombination auf. Und wenn man weiss, was als nächstes kommt, kann man ganz anders an die Fahrbahnverschwenkung heranfahren.

Spass ohne Ende. Und was die Physik angeht, glaube ich jetzt an Haftreibungen, die ich für komplett unmöglich gehalten haben. Ich muss daran glauben, denn ohne diese Haftung könnte ich jetzt nicht mehr tippen :-)

Doch, das war ein gelungener Tag, absolut fantastisch und selbst das Aufstehen um 6:00h wert (Trainungsbeginn 7:45h ist schon arg früh, speziell wenn die ganze Gegend ausgebucht war wegen des Formel-1-GP am Sonntag).

Während des Trainings hat es offenbar einen kompletten Tag gebraucht, meinen Landstrassen-Fahrstil zu deprogrammieren und mich auf Rennstrecke umzustellen. Ist hat doch völlig anders: nicht versetzt fahren sondern genau die Linie des Vordermanns. Nicht mit Abstand fahren sondern voll am Heck des Typen da vorn kleben und einfach vertrauen, dass der schon nicht unvermittelt scharf bremsen wird. Nicht nur die halbe Strasse nutzen sondern die volle Breite. Und dann die Blickführung: kaum eine Kurve auf dieser Strecke, die man irgendwie einsehen könnte. Man muss sie einfach kennen. Also den Blick bewusst irgendwo neben die Strecke an der Kurveninnnenseite halten - wie man ein Motorrad eben lenkt.

So lange es gedauert hat, mich auf Rennstrecke umzustellen, so schnell war ich wieder zurück auf Landstrassen-Modus: Ab Tankstopp in Breitscheid war meine Schräglage wieder wie immer, mein Kurventempo nicht mehr wahnwitzig und meine Bremsbereitschaft so, dass ich jederzeit einen unvermeidbaren Unfall zumindest in einen glimpflichen hätte verwandeln können. so mag ichs‘s und so ist das gut und wahnwitziger muss ich gar nicht fahren. Aber gut zu wissen, dass es physikalisch ginge :-)


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